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der deutschen
Tierheilpraktiker e.V.
Biomechanik trifft Akupunktur bei Pferden
Biomechanik in den Meridianen des Pferdes
Die Biomechanik-Forschung hat insbesondere bei Pferden und Hunden in den letzten Jahren fantastische Ergebnisse hervorgebracht. Hier ist ein neues Bild von Bewegungslehre entstanden. Leider ist der Weg von der Forschung in die Praxis – wie so oft – sehr weit. Viele Erkenntnisse bahnen sich nur langsam ihren Weg, manche werden dagegen nie umgesetzt.
Dem Gedanken folgend, einen Brückenschlag zwischen Forschung und Praxis herzustellen, neue Erkenntnisse und Interpretationen der Bewegungslehre in die Praxis umzusetzen, hat die GerVAS (German Veterinary Acupuncture Society) eine Seminarreihe (Akupunktur „meets“ Biomechanik) aufgesetzt. Den Anfang der Reihe hat im Frühjahr 2013 Prof. Fischer mit seinem Vortrag über die Ergebnisse der Jenaer Studie gemacht, fortgesetzt wurde sie im April 2014 in einem Seminar mit Rikke Schultz, die hier die Ergebnisse zu ihren Untersuchungen der „myofaszialen Linien“ bei Pferden vorgestellt hat. Eine Fortsetzung dieser Seminarreihe ist in Planung. Was die Autorin an diesen Kursen so sehr schätzt, ist nicht nur der „Wissensgewinn“, sondern auch der intensive Gedankenaustausch und die Diskussion mit Kollegen.
Beispiel: Blasenmeridian
Wie man das in den Kursen „Gelernte“ in Bezug auf die Akupunktur der Pferde interpretieren und umsetzen kann, soll an einem Beispiel aufgezeigt werden:
Der äußere Verlauf des Blasenmeridians tritt mit dem Punkt Bl 1 im Bereich des medialen Augenwinkels an die Oberfläche, zieht parallel der Mittellinie über Stirn, Genick, Hals und Rücken, dann weiter im kaudolateralen Bereich des Hinterbeines nach distal zum kaudolateralen Aspekt des Kronsaumes.
Innerhalb des Konzeptes myofaszialer, kinetischer Linien besteht beim Menschen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der oberflächlichen Rückenlinie und dem Blasenmeridian. Diese konnte auch für das Pferd nachgewiesen werden. Die Hauptaufgabe der oberflächlichen Rückenlinie besteht darin, Extension zu erzeugen. Dies kann man auch als „motorische“ Funktion des Blasenmeridians annehmen.
Dabei überzieht und beeinflusst der Blasenmeridian Muskulatur, wie z. B. den M. longissimus dorsi und den M. semitendinosus. Beide Muskeln haben ein Aktivitätsmaximum im Trab am Ende der Stemmphase und zu Beginn der Vorschwingphase des gleichseitigen Hinterbeines. Bei einem Pferd mit einer ausgeprägten motorischen Dominanz der linken Hirnhälfte ist mit einer motorischen Dominanz der Muskeln zu rechnen, die auf der rechten Körperseite überwiegend beugende Funktion haben. Daher findet man in solch einem Falle oft eine Schwäche der Extension (und Extensoren) auf dieser (rechten) Körperseite. In der Folge kann dies dazu führen, dass die Mm. longissimus und semitendinosus der rechten Körperseite schwächer ausgeprägt sind als die der linken Körperhälfte. Dies gilt ebenso für den Blasenmeridian der rechten Körperhälfte, der energetisch schwächer ist als der der linken Seite.
Beobachtet man den Bewegungsablauf eines solchen Pferdes im Trab, so stellt man fest, dass die Trittlänge der rechten Hintergliedmaße am Ende der Stemmphase verkürzt wird. Da der Blasenmeridian im vorderen Meridianverlauf auch über das Genick zieht, wundert es nicht, dass sich solch ein Pferd gerne bei zu starker Handeinwirkung des Reiters im Genick verwirft (sodass seine rechte Ohrbasis tiefer erscheint). Auch hier ist der (rechte) Blasenmeridian „zu schwach“, das Genick (rechts) zu heben. Das Verwerfen hat fatale Folgen u. a. für die Koordinationsfähigkeit des Pferdes. Hieraus lassen sich Ableitungen für die Behandlung dieser Gangstörung mit Akupunktur treffen: Es könnte z. B. der Blasenmeridian der rechten Seite gestärkt oder mit dem der linken Seite ausbalanciert werden. Aus dieser Art der Betrachtung ergibt sich nach Meinung der Autorin ein interessanter Zusammenhang zwischen der Biomechanik der Pferde und der transponierten Meridianlehre.
Sicher lassen sich noch viele weitere Verbindungen zwischen Akupunktur und Biomechanik finden. Ein interessanter Aspekt dabei ist auch, dass sich damit ganz besonders auch das gute Zusammenwirken von Akupunktur mit den manuellen Therapien erklären lässt.
Artikel von Martina Steinmetz